Kunst & Kultur
Teshima: Eine blühende Insel, auf der die Symbiose aus Kunst und Natur mir zeigte, was wahre Erhabenheit bedeutet
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- ZIELORT
- Kagawa
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- LETZTE AKTUALISIERUNG
- 16. Januar 2023
Inmitten der ruhigen Seto-Binnensee in der Präfektur Kagawa liegt Teshima. Diese kleine Insel ist weltweit als einer der Austragungsorte des wichtigsten Kunstfestivals Japans, der Setouchi Triennale, bekannt. Auf der mit einer blühenden Landwirtschaft gesegneten Insel können Kunst und Natur koexistieren, und zwar wunderschön integriert in ländliche Dörfer und unberührte Landschaften. Durch diese miteinander verflochtenen Elemente hatte ich auf Teshima die Gelegenheit, über die wahre Bedeutung von Erhabenheit nachzudenken. So konnte ich einen bereichernden Tag unter den Einheimischen verbringen, während ich mich an all die wesentlichen Werte erinnerte, die der vielbeschäftigte moderne Mensch gerne mal vergisst!
Eine Lebensweise, die das Wohlbefinden in den Mittelpunkt stellt – auf der Kunstinsel Setouchi, Teshima
Vor meinen Augen breitete sich nichts als eine malerische Meereslandschaft aus. Ich war gerade auf die Fähre nach Teshima gestiegen, einer winzigen, nur 14,5 km² großen Insel zwischen den Präfekturen Kagawa und Okayama. Der klare Tag sorgte für ein heiteres Panorama und ließ die Wasseroberfläche wie einen Spiegel glitzern – so makellos blau, wie man es von Japans ruhigem Seto-Binnenmeer erwartete. Vom Fenster der Fähre aus konnte ich sehen, wie die Silhouette der Kunstinsel sich näherte.
Auf Teshima ist das Meer eine allgegenwärtige Kulisse – ein angenehmer Reisebegleiter, der in allen Ecken und Winkeln und jenseits der charmanten Stadtbilder zu sehen ist. Die friedliche Seto-Binnensee strahlt ein Gefühl der Ruhe aus, das sich auch auf die Dörfer selbst erstreckt. Sie scheint eine gelassene Lebensweise zu fördern, die meinen Geist und meine Seele verjüngte, sobald ich die Insel betrat. Diese Fähigkeit, sich um das Wohlbefinden der Menschen zu kümmern, ist nicht neu – stattdessen liegen ihre Wurzeln in der Geschichte Teshimas. Mit dem Errichten von Wohlfahrtseinrichtungen wie Säuglingsheimen, speziellen Pflegeheimen für ältere Menschen und Unterstützungszentren für Menschen mit Behinderungen war diese Insel ihrer Zeit voraus. Der Bau dieser Institutionen brachte ihr den Spitznamen „Insel der Wohlfahrt“ ein.
Nachdem ich in dem bezaubernden Dorf Ieura an Land gegangen war, beschloss ich, mir am Hafen ein Fahrrad zu mieten und als Erstes eine Tour durch die Umgebung zu machen. Belohnt mit Einblicken in den entspannten Lebensstil, für den die Insel bekannt ist, schlenderte ich erst durch winzige Gassen und anschließend am glitzernden Meer entlang. Dabei genoss ich den Anblick von kleinen Booten, die in versteckten Buchten auf dem smaragdgrünen Meer trieben, sowie Fischernetzen, die in der Sonne ausgebreitet worden waren.
Pure Neugier und eine Reihe herzerwärmender Szenen des Alltags und der natürlichen Schönheit begleiteten mich durch das Dorf. Alltagsszenarien von Einheimischen – darunter ein älterer Herr mit seinen Katzen, der Obst aus dem eigenen Garten pflückte –, erfüllten mich mit einer Fröhlichkeit, die den ganzen Tag über anhielt.
Glücklich sein und genießen – dank der üppigen Natur und florierender lokaler Produkte
Das Geheimnis der reichhaltigen Natur von Teshima liegt im sonnigen, gemäßigten Klima der Insel. Sie profitiert seit langem von ihren reichen Fischgründen und den großen Mengen an Quellwasser. Die auf dem Berg Danyama entspringenden Quellen liefern reichlich Trinkwasser und dienten sogar dem Reisanbau – und zwar seit der Antike.
Je mehr ich die Insel erkundete, desto stärker fielen mir die fröhlichen Farben der vielen verschiedenen Obstgärten auf, mit denen sie übersät ist.
Zu den zahlreichen lokalen Spezialitäten gehören unter anderem Oliven – ein in Japan eher ungewöhnliches Erzeugnis, das hier auf Teshima bei der Herstellung von Olivenöl, Eiscreme, eingelegtem Gemüse und vielem mehr zum Einsatz kommt. Eine weitere Spezialität sind die berühmten Zitrusfrüchte aus der Setouchi-Region und sogar Erdbeeren, die sich frisch oder als Marmelade genießen lassen.
Ein weiterer wertvoller Rohstoff aus Teshima stammt aus dem Meer. Denn die Insel produziert einen Seetang (nori), der so zart ist, dass er auf der Zunge zergeht. Die Region ist auch für ihre Somen bekannt – dünne, lange Nudeln aus Weizenmehl, für deren Herstellung sich das sonnige und trockene Klima im Winter optimal eignet. Und zu guter Letzt findet auf dieser Insel seit der Muromachi-Ära (1338–1573) die Verarbeitung von feuerfestem Teshima-Tuffstein statt, einem Exportgut, das für berühmte Bauwerke wie die kaiserliche Villa Katsura in Kyoto, den Korakuen-Garten in Okayama und den Ritsurin-Garten in Takamatsu verwendet wurde.
Mitten in einem Kunstprojekt, das die Gemeinschaft belebt – die Setouchi Triennale
Atemberaubende Einblicke in die Natur waren nicht das Einzige, was ich auf meiner Radtour durch Teshima bewundern durfte. Entlang des Weges fielen mir immer wieder die auffälligen Figuren ins Auge: kühne Kunstwerke, die mit traditionellen Häusern verschmelzen, Installationen, die sich nahtlos in die Landschaft einfügen und versteckte Strukturen, die sich sanft aus dem Boden heben – all das als Ausdruck des revitalisierenden Kunstprojekts der Setouchi Triennale, die genau zu der Zeit meines Besuchs in Teshima stattfand.
In den letzten Jahren sind viele Inseln im Seto-Binnenmeer Gefahr gelaufen, als abgelegene Orte abgestempelt und ihre gesamte Geschichte auf das Wort „Entvölkerung“ reduziert zu werden. Und dass, obwohl sie ursprünglich wichtige Verkehrsadern einer Handelsroute darstellten, auf der seit der Antike ein reger wirtschaftlicher und kultureller Austausch stattgefunden hat. Von der Modernisierung weitgehend unberührt, bewahren diese Inseln noch immer ihre ursprünglichen regionalen Landschaften sowie die unverwechselbare, aus der Vergangenheit übernommene Lebensweise, die anderswo längst verloren gegangen ist. Um diese wertvolle Kultur zu erhalten und der modernen Gesellschaft eine starke Botschaft zu hinterlassen, wurde 2010 die Setouchi Triennale ins Leben gerufen.
Seit 2010, als Teshima in den Kreis der Veranstaltungsorte der Setouchi Triennale aufgenommen wurde, hat es zahlreiche Besucher aus Japan und dem Ausland auf die Insel gezogen. Permanente Museen und Dauerausstellungen können jederzeit besucht werden, während das eigentliche Kunstfestival alle drei Jahre stattfindet. Die Setouchi Triennale dauert acht Monate und umfasst drei Phasen: Frühling, Sommer und Herbst. Sie ermöglicht Besuchern aus städtischen und überbevölkerten Gebieten, wieder mit der Natur in Kontakt zu kommen und die Schönheit und Kultur Teshimas neu zu entdecken.
Die attraktiven und zeitgenössischen Kunstwerke, die auf ganz Teshima verstreut sind, sollen den Charme der Insel hervorheben und gleichzeitig ihre üppige Natur und ihre Bewohner in den Mittelpunkt stellen. Wenn die Einheimischen bei der Begrüßung der Besucher über ihre eigene Geschichte und die von Teshima sprechen, so entfacht die Energie aus diesen Interaktionen nicht nur neue Vitalität in der Gemeinschaft, sondern zeigt auch den Wert der vielfältigen Lebensweise auf, die für diese Insel so einzigartig ist.
Gedanken über „Leben und Tod“ – im Teshima Yokoo House, einem Museum in einer ehemaligen Privatresidenz
Im Anschluss an die Einführung in die kulturelle Landschaft der Region gewährte mir das Teshima Yokoo House – ein Museum, das ich als Nächstes besuchte – interessante Einblicke in die Evolution des Alltags der Insel.
Das vom Künstler Tadanori Yokoo und der Architektin Yuko Nagayama renovierte und umgestaltete Museum befindet sich in dem malerischen Dorf Ieura und beherbergt gegenwärtig elf Kunstwerke, die auf drei verschiedene Ausstellungsbereiche verteilt sind: „Haupthaus“, „Warenlager“ und „Nebengebäude“.
Obwohl das Teshima Yokoo House anderen Holzbauten auf der Insel ähnelt, zeigt es seine Einzigartigkeit bereits an der Fassade – und zwar mit dem Einsatz von getöntem Glas. Ich war beeindruckt und fragte mich zugleich voller Neugier, was sich wohl dahinter verbarg.
Als ich den Steingarten – meinen Lieblingsort im Haus – betrat, tauchte ich vollständig in die andersartige Atmosphäre des Museums ein. Mich erwartete eine ungewöhnliche aber fesselnde Mischung aus traditionellen Elementen und zeitgenössischer Kunst, die mich an klassische japanische Gärten erinnerte – jedoch mit einer anderen Note.
Das Leben feiern – im Teshima Art Museum, dem Bindeglied zwischen Kunst, Architektur und Natur
Das Teshima Art Museum ist das erste, im Jahr 2010 fertiggestellte Museum der Insel – minimalistisch und beeindruckend zugleich. Dort kam ich an, nachdem ich mit meinem Fahrrad auf Straßen entlang wunderschöner Reisfelder und mit Blick auf das offene Meer unterwegs gewesen war. Ich ließ mein Fahrrad zurück und ging den Weg entlang, der zum Eingang des Museums führte – eine Betonmuschel, die an die Form eines Wassertropfens erinnerte, der aus dem Boden stieg. Der lange Weg bis zum Museum erlaubte es mir, mich gemächlich den Empfindungen hinzugeben, die von Teshimas großartiger Natur ausgingen.
Die Vision dieses extrem ruhigen und harmonischen Ortes, an dem Architektur, Kunst und Natur dem Gefühl nach eng miteinander in Verbindung stehen, entstand aus der kreativen Zusammenarbeit zwischen der renommierten Künstlerin Rei Naito und dem mit dem Pritzker-Preis ausgezeichneten Architekten Ryue Nishizawa. Sie schufen hiermit ein einzigartiges Erlebnis, das meine Sinne belebte.
Barfuß und in Stille gehüllt, da weder Schuhe noch Gespräche erlaubt sind, passierte ich einen schmalen Eingang und gelangte so ins Innere der Betonmuschel. Plötzlich befand ich mich in einem riesigen Raum ohne Stützen, der bis zu 40 x 60 m lang und 4,3 m hoch war. An der Decke befanden sich zwei große Öffnungen, die Teile des Himmels einrahmten und mich dem Wind, den Geräuschen und dem Licht der Außenwelt aussetzten. Dadurch, dass es keine wirkliche Unterscheidung zwischen Innen und Außen bzw. der Umgebung und der Architektur gab, spürte ich eine seltsame Ehrfurcht vor dem Anblick der Natur, die auf mystische Weise in den Raum eindrang.
Im Inneren des Gebäudes befindet sich das Kunstwerk „Matrix“ von Rei Naito. Hier tritt, ähnlich wie bei einem Springbrunnen, das Wasser Teshimas in sanften Tropfen aus dem Boden – den ganzen Tag über. Ich setzte mich hin, um die Kunstwerke zu bewundern. Die Atmosphäre faszinierte mich – als wäre das Museum ein Ort, an dem die Freude am Leben auf Erden gefeiert wird.
Einblicke in die uralte Kultur des Reisanbaus – dank des Reisterrassenprojekts
Direkt nach meinem Besuch im Teshima Art Museum musste ich meine Radtour aufgrund der herrlichen Aussicht auf die weitläufigen Reisterrassen, die kaskadenförmig bis zum glitzernden Wasser des Meeres reichten, erneut unterbrechen. Obwohl der Reisanbau auf anderen Inseln im Seto-Binnenmeer kaum möglich war, hat man ihn auf Teshima seit der Antike betrieben. Dank der zahlreichen Wasserquellen und des fruchtbaren Bodens stellten die Reisfelder für lange Zeit einen wertvollen Teil der Geschichte dieser Insel dar und zählten zum Stolz der Einheimischen.
Im Laufe der Zeit wurden die charakteristischen Reisfelder von Teshima vernachlässigt; die Eröffnung der Setouchi Triennale und des Teshima Art Museums im Jahr 2010 boten jedoch die Gelegenheit, die ursprüngliche Schönheit einiger Felder wiederherzustellen. Der Kontrast zwischen dem tiefblauen Meer und dem goldgelb geernteten Reis faszinierte mich. Ich hörte den Einheimischen gerne zu, wie sie es geschafft hatten, diese reizvolle Landschaft wiederherzustellen und sie zu einem Symbol für die Neubelebung der Insel zu machen.
Heute werden die terrassenförmig angelegten Reisfelder von Teshima im Rahmen des „Reisterrassenprojekts“ sorgfältig gepflegt. In einer gemeinsamen Anstrengung, an der die Regierung sowie verschiedene Stiftungen und Vereinigungen beteiligt sind, kümmert sich die Gemeinde um das zurückgewonnene Land. Dort, wo der Reisanbau nicht länger stattfinden kann, werden Obst und Gemüse angebaut. Und sogar die Gebiete, in denen gar kein Ackerbau möglich ist, werden gemäht oder mit Blumen bepflanzt – so wird sichergestellt, dass diese wertvolle Kultur nie wieder verloren geht.
Sorgfältig zubereitete Mahlzeiten aus lokaler Produktion – japanische Hausmannskost bei Shima Kitchen
Nach einigen weiteren Kilometern auf dem Rad erreichte ich die letzte Station dieses bereichernden Tages – Shima Kitchen. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Haus, das leer stand, bevor es 2010 vom Architekten Ryo Abe im Rahmen der Setouchi Triennale renoviert und in ein einladendes Restaurant verwandelt wurde, um Menschen mithilfe von Kunst und Essen zusammenzubringen. Shima Kitchen zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass es Zutaten aus der Region und Inselspezialitäten wie frisches Gemüse und Meeresfrüchte serviert, sondern auch dadurch, dass einheimische Mütter als Küchenchefs im Einsatz sind.
Das Restaurant bietet sowohl Innen- als auch Außenplätze. Letztere befinden sich unter der geschwungenen Terrasse, die von dem Architekten Ryo Abe entworfen wurde und optimal dafür geeignet ist, das schöne Klima und die Natur der Insel zu genießen. Die Sitzplätze im Innenbereich sind in der Regel für Gäste bestimmt, die eines der Spezialmenüs des Restaurants bestellt haben. Da ich mich im Voraus angemeldet hatte, konnte ich einen Fenstertisch ergattern, der einen weiten Blick auf die malerische Landschaft bot. Während ich auf meine Bestellung wartete, genoss ich die warmen Sonnenstrahlen und den Gesamteindruck des Restaurants, bestehend aus wohnlichen Details und luftigen Räumen mit Aussicht ins Grüne.
Als die Spezialmenüs serviert wurden, sprühten sie vor Farben und Aromen der Insel und präsentierten eine Auswahl köstlicher Produkte. Das „Shima Kitchen Set“ präsentierte einige der besten Delikatessen der Insel. Es enthielt eine Fischplatte, die so perfekt gebraten war, dass sie das ideale Verhältnis von Zartheit zu Knusprigkeit bot. Das „Keema Curry Set“ zeichnete sich durch ein leicht würziges Curry aus, das den erstklassigen Geschmack des saisonalen Gemüses unterstreicht, welches speziell für dieses Gericht ausgewählt wurde. Beide Sets waren mit frischem Gemüse, Salat und eingelegtem Gemüse dekoriert. Besonders schmackhaft war die Suppe – eine klassische Miso-Suppe, aber mit süßen japanischen Kürbisstückchen!
Ein schöner Tag auf Japans Kunstinsel Teshima
Teshima ist mit einer üppigen Natur und einem milden Klima gesegnet. Außerdem bietet die Insel spektakuläre Aussichten auf das Meer und auf blühende landwirtschaftliche Felder, die durch aussagekräftige Werke zeitgenössischer Kunst bereichert werden. Indem ich das künstlerische Erbe dieser Insel erkundete, konnte ich einen Tag unter den Einheimischen verbringen und die Schönheit ihrer lokalen Küche und Traditionen entdecken. Dies gab mir die Gelegenheit, einmal mehr über die wahre Bedeutung von Erhabenheit nachzudenken.
Anfahrt: So erreichen Sie die Insel Teshima
Weitere Informationen hierzu finden Sie unter dem nachfolgenden Link:
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Diese Region hat viele kleinere Inseln, darunter die für Kunstausstellungen bekannten Inseln Naoshima und Teshima. Der exquisite Ritsurin-Park befindet sich ebenfalls hier, und Kagawa ist nicht zuletzt für seine Sanuki-Udon (Nudeln) berühmt, welche aus ganz Japan Besucher anziehen. Die Präfektur wird daher manchmal auch die "Udon-Präfektur" genannt.”